Beobachten wir das Verhalten von Hunden untereinander, sehen wir äußerst verstörende Bilder:
sie rempeln sich an
sie rennen sich um
sie springen sich an
sie zwicken sich in die Hinterläufe
sie beißen sich übers Maul
sie beißen sich in den Hals
sie begrenzen andere Hunde
sie schränken andere Hunde ein
sie legen die Pfote auf
sie knurren sich an
sie bellen sich an
Viele Menschen interpretieren dieses Verhalten als munteres Spiel mit viel Freude. Andere wiederum sehen hier nackte Gewalt und geraten mit den Haltern der anderen Hunde aneinander.
Hunde maßregeln einen anderen Hund manchmal derart heftig, dass Blut fließt und auch mit Menschen gehen viele Hunde nicht gerade so liebevoll um, wie es von ihnen erwartet wird:
sie werden angerempelt, gezwickt, gebissen und wenn eine Katze den Gassiweg kreuzt, wird der Mensch rücksichtslos über die Straße gezogen.
Was wir nicht sehen oder hören:
dass sie sich gegenseitig Leckerlies reinstopfen
dass sie sich gegenseitig mit der Pfote über den Kopf streicheln
dass sie einen Clicker drücken
dass sie „feeeiiin“ sagen
dass sie anderen Hunden Sitz! Platz! Bleib! befehlen
dass sie zu einem anderen Hund „Nein“ sagen
Und doch funktioniert meist das Zusammenleben von Hunden, weil Regeln und Grenzen aufgestellt und diese auch durchgesetzt werden.
Sie kommunizieren auf einer Ebene und in einer Sprache, die häufig auch körperlich ist. Es sind Hunde, die in einer Hierarchie leben und denen unser Verständnis von Demokratie vollkommen fremd ist.
Ich empfehle jedem Hund ab sofort den Bestseller „Mimimi“ von Wattebäuschchenwerfer zu lesen, damit Hunde einen gewaltfreien und harmonischen Umgang nach Menschenverständnis lernen.
Bevor sich nun die geballte gewaltfreie Aggression über mich entlädt, weil meine Worte anders interpretiert werden, als sie sind: ich befürworte keine Gewalt, weder an Mensch, Hund noch anderen Lebewesen! Dies beeinhaltet auch psychische Gewalt, die meist viel subtiler und grausamer verläuft als die Gewalt, die für uns sichtbar ist.
Es geht in diesem Artikel auch nicht um Gewalt, sondern um Kommunikation zwischen zweien Arten, die unterschiedlicher kaum kommunizieren können.
Dazu möchte ich Paul Watzlavik zitieren
"Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren."
Der Inhaltsaspekt erhält die Aufgabe Informationen zu vermitteln. Der Beziehungsaspekt gibt Aufschluss darüber, wie die Beziehung vom Empfänger aufgefasst wird. Bezüglich der Übertragung auf die Kommunikationssituation lässt sich sagen, dass es keine rein informative Kommunikation gibt. Jede Äußerung enthält eine Beziehungsaussage. z.B.: "Sie haben aber eine schöne Perlenkette. Ist die echt?"
Durch Gestik, Minik und Tonfall des Sprechers, werden im Angesprochenen verschiedene Reaktionen ausgelöst.
Mit Hunden zu kommunizieren, bedeutet präsent zu sein und vor allem durch eine innere Haltung zu überzeugen und ist von Gewalt meilenweit entfernt. Hunde lesen unser Verhalten auch wenn wir meinen, dass wir gerade nicht kommunizieren. Sie sehen was wir mitteilen und aussenden, ohne irgendetwas falsch zu interpretieren.
Beobachten wir Menschen untereinander sehen wir sie ebenso rempeln oder andere schubsen und niemand schreit „Gewalt“, sondern man ärgert sich über dieses rüpelhafte Verhalten! Es ist körperliche Kommunikation, der Stärkere setzt sich durch.
So weit ist der Mensch im Umgang untereinander von der Welt der Hunde gar nicht entfernt, wie viele meinen. Geblendet durch die rosarote Brille fehlt häufig der Blick für die Realität.
Über das, was Gewalt ist, wird heftig und voller Emotionen gestritten und die Meinungen gehen weit auseinander. So ist für den einen bereits ein Zischlaut oder ein Schnalzen mit der Zunge Gewalt, die Verwendung lautstarker Kommandos oder der Einsatz von Rütteldosen aber nicht, obwohl Hunde über ein sehr feines Gehör verfügen. Man sage nur mal sehr leise das magische Wort Gassi und man kann feststellen, wie unsinnig diese Brüllerei ist.
Körperliche Gewalt gegen Hunde wird zurecht sofort geahndet. Und doch wird Hunden so viel mehr Gewalt angetan, als es viele Menschen wahrhaben wollen. Hunde werden heute dauerbespaßt oder bis zum Anschlag ausgelastet, der moderne Mensch nennt es Spiel und Spaß. Dass man sie dabei überfordert, sie orientierungslos sich selbst überlässt und ihnen ihrer dringend benötigten Schlaf- und Ruhephasen beraubt, passt nicht in die heile Wunschwelt. Es verwundert daher nicht, dass das Stressgesicht eines Hundes häufig als Ausdruck unendlichen Hundeglücks gewertet wird. Der Hund lacht ja so süß, so die Interpretation vieler Menschen, die vor lauter Liebe den Hund übersehen. Die zunehmenden Erkrankungen der Hunde aber sollten uns wachrütteln, dass etwas mit diesem Dauerbespaßungsprogramm nicht stimmen kann.
Gewalt kann man nicht nur physisch, sondern auch psychisch ausüben, dies wiederum entzweit den Menschen von den Hunden. Hunde tragen ihre Konflikte von Angesicht zu Angesicht aus, direkt und wenn es sein muss auch körperlich, auch gegen Menschen! Dass der Mensch seinen Hund ja so sehr liebt und ihm u.a. die teuersten Hundebetten kauft, interessiert den Hund dabei nicht.
Viele Menschen dagegen flüchten sich in die Welt des Internets, um dort gewalttätig zu werden, häufig mit Worten die verletzender kaum sein können. Selbst wenn dadurch Existenzen vernichtet werden, halten so manche nicht inne und lassen ihren Frust freien Lauf.
Wenn man die letzten Jahrzehnte rund um das Thema Hund zurückverfolgt, wurden uns immer wieder neue wissenschaftliche Erkenntnisse geliefert, immer neue Erziehungsmethoden und die dazugehörigen Hilfsmittel präsentiert. Jeder hat den Stein der Weisen für sich beansprucht und alle vorherigen Erkenntnisse als überholt oder falsch dargestellt. Übersehen wird dabei, dass Hund nicht gleich Hund ist und die eine Methode nicht auf alle Hunde übertragbar ist. Wäre dem so, müsste nicht ständig neuer Unsinn erfunden werden. Was aber erreicht wurde ist, dass viele Menschen mittlerweile völlig verunsichert sind und nicht mehr ihren Instinkten vertrauen.
Eine logische Konsequenz ist, dass sich der Mensch immer weiter von den Hunden entfernt, immer mehr Hunde abgegeben werden, weil viele Menschen nicht mehr mit ihnen zurechtkommen. Vielleicht aber ist es genau andersrum.
Ein Grund dürfte sein, dass noch immer der Focus auf das Training und eine vermeintlich artgerechte Auslastung der Hunde, nicht aber auf deren Führung gelegt wird. Einen Hund zu trainieren, scheint auch der einfachere Weg. Ein paar Kommandos einstudiert und der Hund funktioniert mittels Sprachsteuerung, gern bequem von der Couch aus. Einen Hund zu führen aber erfordert die Bereitschaft seine Komfortzone zu verlassen, aktiv zu werden und an sich zu arbeiten um die Persönlichkeit zu werden, die Hunde instinktiv akzeptieren.
Diese Führung erfordert keine körperliche Kraft, sie bedarf einer inneren Stärke.
Wir können gespannt sein, was uns in Zukunft noch alles präsentiert und unseren heutigen Umgang mit Hunden als obsolet darstellen wird. Vielleicht erfahren wir in einigen Jahren, dass Hunde in Wirklichkeit von fremden Mächten auf die Erde geschickt wurden, um hier die Weltherrschaft zu übernehmen, ferngesteuert über eine App auf dem Smartphone. (Ironie)
Beenden möchte ich diesen gewaltsamen Artikel mit einem Auszug aus dem Alten Testament, Hosea, Kapitel 8, Vers 7: „Denn sie säen Wind und werden Sturm ernten“!
Es werden viele und immer andere Methoden gesät und doch vermehrt „Problemhunde“ geerntet.
Jedes „Fehl- oder Problemverhalten“ eines Hundes ist ein Hilferuf an seine Menschen.
Es ist an der Zeit, diesen Hilferuf wahrzunehmen und sich zu fragen WARUM, anstatt sich mit immer neuen Methoden an den sichtbaren Symptomen abzuarbeiten.
©️Marion Höft